Raymond Thelen


Biografie

"organisch anorganisch"



Zur Ausstellung

Begleittext zur Ausstellung

Presse






Links

Kontakt

hhhhhhhhhh
Organisch - Anorganisch

Zwei zentrale Gesichtspunkte liegen der Ausstellung zu Grunde:

1. Der eine – für den Betrachter eher im Verborgenen – soll die Begriffe "Organisch“ und „Anorganisch“ in der Kunst hinterfragen.

2. Der andere beschäftigt sich damit, dass der Mensch gegenständlich sehen möchte und darum nicht Erkennbares, Bekanntem zuzuordnen versucht. Die Ausstellung nimmt dieses Phänomen vor dem Hintergrund von Kunstgeschichte und Wahrnehmungspsychologie in Augenschein.

Zu Punkt 1
„organisch – anorganisch“ zwei Begriffe, die landläufig eher intuitiv verstanden werden, als das man sich ihrer Definition bewusst wäre … zwei Begriffe, die scheinbar nur in der Chemie und Biologie gemeinschaftlich auftreten.

In der Kunst wird das „Organische“ häufig erwähnt, besprochen und diskutiert, ohne dass der Begriff tatsächlich in diesem Sinne definiert wird. Er taucht vielmehr auf als „Hilfsoberbegriff“ für alles Natürliche, Biologische, „Nicht-Geometrisch-Strukturierte“ und sogar für das Kreative und Bewusste.
Das „Anorganische“ sucht man in diesem Zusammenhang vergeblich. Eine Internet-Recherche ergibt beispielsweise für das Konstrukt „organische Kunst“ 348 Einträge und für „anorganische Kunst“ keinen Einzigen. Existiert diese Kombination überhaupt? … und wenn, nur als unausgesprochenes Gegenteil?
Christa von Seckendorff und Raymond Thelen geben darauf keine direkte Antwort.
Vielmehr gießen sie zusätzlich Öl ins Feuer indem sie unter diesem Ausstellungstitel Objekte präsentieren, die jeweils unter den einen oder anderen Aspekt fallen sollen. Dabei entstehen visuelle Eindrücke, die plötzlich weitere Begriffe und Begriffskombinationen ins Spiel bringen.

Christa von Seckendorff – Organisch:

Ausgangspunkt für Christa von Seckendorffs fotografischen Arbeiten sind zum einen vorgefundene Materialien und Objekte aus der Natur, sowie selbst hergestellte Objekte aus Ton, Haaren, Fäden etc... .Sowohl die Materialität, als auch die Form der Objekte, sind organischen Ursprungs.
Sie verändert diese Objekte und Materialien mittels Diaprojektion, oder durch Einscannen verbunden mit computertechnischer Nachbearbeitung. So entstehen Schichten und Ebenen, die sich immer weiter vom Ursprungsobjekt entfernen. Nichts kann wieder erkannt werden im Sinne des schon Dagewesenen.
Übrig bleibt eine „organische“ Struktur, die als Zwischenwelt ihre eigene Wahrhaftigkeit und Identität besitzt.

Raymond Thelen – Anorganisch:

Raymond Thelen vermeidet in dieser Ausstellung „organische“ Strukturen in seinen Objekten. Klare Linien und geometrische starre Körper sind vorherrschend, also „unorganisch“ – ist das nun „anorganisch“?
Das begrifflich "anorganische“ ist durch die Materialien Glas, Sand und Metall in jedem Fall repräsentiert. Auch die daraus erstellten Objekte – kantige Säulen und Kästen aus Glas – haben nichts natürlich gewachsenes, sondern erinnern eher an industriell Gefertigtes.
Die Kombinationen Glas – Sand, Glas – Metall ändern nichts an diesem Eindruck, sondern heben den Aspekt des technisch Industriellen noch in den Vordergrund.
Kästen aus Glas mit darin befindlichen Gegenständen wirken wie Schaukästen – kalt und emotionslos wie eine Produktpalette.
Trotzdem fehlt auch hier insgesamt der direkte Bezug zu Bekanntem. Die Exponate existieren nur durch sich selbst und schaffen eine eigene Realität.

Zu Punkt 2

Die angepasste Wahrnehmung
- bei „organischer“ und „anorganischer Kunst“

Sämtlichen präsentierten Bildern und Objekten fehlt der direkte Bezug zu Bekanntem. Keines der Exponate lässt sich direkt einem Subjekt zuordnen. Trotzdem versucht das Bewusstsein, Bekanntes zu entdecken und auf die Unikate zu übertragen.
100 Jahre abstrakte und 50 Jahre informelle Kunst haben das Auge noch nicht völlig befreit.
Der Mensch ist den Zwängen adaptiver Wahrnehmung stets unterworfen.
In der Wahrnehmungspsychologie, speziell in der Gestalttheorie, die sich unter anderem mit adaptiver Wahrnehmung beschäftigt, existiert eine These, dass der Drang Bekanntes wieder zu entdecken ursprünglich daher rührt, eine Situation nach ihrem Gefahrenpotential einschätzen zu können. Letztendlich also ein Instinkt, welcher dem natürlichen Fluchtverhalten gerecht wird.
Die Bestrebungen in der abstrakten und informellen Kunst das „Unbekannte“ als eigene Realität zu akzeptieren kollidiert also mit dem uralten instinktiven Verhalten, Vorstellungen als Gefahrindikator verwenden zu wollen. Es existiert ein natürliches Misstrauen gegenüber allem nicht Identifizierbaren.
Von Seckendorff und Thelen versuchen nun zu zeigen, dass sich dieser Wiedererkennungsdrang des Bewusstseins für die „organischen“ Strukturen anders verhält als für die „anorganischen“.
Während die „anorganischen“ Objekte eher für sich selbst und als unidentifizierbar akzeptiert werden, versucht das Auge bei den Bildern von Seckendorffs immer noch Bekanntes hinein zu interpretieren.
Es scheint, als ob die Klarsichtigkeit des Glases und dessen geometrische Beschaffenheit, also reine Attribute, die Frage nach dem „Was“ ersetzen kann.
Erhält das Auge zu wenig Anhaltspunkte (Reize), um sich die Frage nach dem „Was“ zu stellen? Hat die technisch, geometrische und maschinelle Umwelt zu kurz Einfluss auf unsere Evolution genommen, als dass die von ihr ausgehende potentielle Gefahr instinktiv wahrgenommen wird?
Viele Fragen, sehr viel Unbewusstes!
Das Auge ist noch nicht befreit!

Raymond Thelen, Februar 2006